Auf der Suche nach Ruhe in Bedugul

„Oh mein Gott. Wenn ich da oben ankomme, ohne auf die kaputte Strasse zu kotzen, dann wird das mein grösster Erfolg dieser gesamten Reise.“ denke ich, als ich mir keuchend den Schweiss von der Stirne wische. Aber es bringt nichts. Der Schweiss tropft mir schon wieder in die Augen, als ich weiter das alte Fahrrad einen viel zu steilen Hang hochstosse. Das kann unmöglich der richtige Weg sein. Die Frau unten an der Strasse hat doch „Yes“ gesagt. Oder kann sie vielleicht gar nicht mehr Englisch? Ich bin zu weit oben, um jetzt umzukehren. „Ja, miete ein Fahrrad in den Bergen. Das wird lustig sein. Was bist du für ein Vollidiot!“ denke ich wütend zu mir selbst.

Ein streng dreinschauender Mann mit verschrenkten Armen reisst mich aus meinen Gedanken und sagt zu mir: „Be careful.“. Er scheint Lehrer zu sein, denn er beobachtet genau, wie die Schulmädchen mit Kopftüchern aus dem Schultor hinter ihm laufen. Ich bin irgendwie von meiner Route zum botanischen Garten abgekommen und nun auf dieser sonst hinduistischen Insel in einem eindeutig Muslimischem Quartier gelandet. Als ich überlege, ob der Lehrer mit „careful“ die Strasse, den Hang oder das Quartier gemeint hat, merke ich plötzlich, wie das Schieben massiv leichter wird und Luna vor Freude auf dem Fahrradsitz quieckt. Ich schaue nach Hinten und sehe, wie zwei Schülerinnen helfen das Fahrrad hochzuschieben. Ich bin so dankbar. Fröhlich fragen sie nach Luna‘s Namen, unserem Herkunftsland und essen gleichzeitig noch ein Eis. Und ich versuche einfach nicht hier und jetzt vor Erschöpfung tot umzufallen.

Als wir oben angekommen sind, suche ich in meiner Tasche nach ein paar 1000er Noten, doch die Mädchen rennen schon lachend davon. Ich fahre ein wenig durch das Quartier, fast alle Menschen winken uns zu und eine Frau mit drei Mädchen mit sich auf dem Motorrad ruft freudig: „Hello Baby!“. Ich frage noch ein paar Mal nach dem Weg und alle Leute sind so unglaublich freundlich und hilfsbereit. Ich fühlte mich noch nie so sicher, wenn ich mich so völlig hoffnungslos verfahren habe. „Gott sei Dank sind wir endlich oben.“ Ich höre von Nahem die Moschee „Und danke Allah.“

Ich bin hier, weil der Fahrer vom letzten Wasserfall diesen Ort so warm empfohlen hat. Er komme immer hier, wenn er Ruhe braucht und Zeit zum Nachdenken. Nachdem ich ihm irgendwie und ausversehen mein ganzes Herz ausgeschüttet hatte, sagte er zu mir: „you need Bedugul.“

Nach dieser total chaotischen Fahrradtour (ohne Schaltung!) und dem mörderischen Hang, bin ich so froh endlich beim botanischen Garten angekommen zu sein. Ich parkiere mein Fahrrad neben ungefähr 200 Motorrädern und bezahle den Eintritt von 30’000 IDR in den botanischen Garten, während Luna sich schon mit der Verkäuferin am Markstand neben dran angefreundet hat. Für weitere 30’000 IDR darf sie das Seifenblasenhäschen auch behalten. Wir gehen anschliessend durch das Tor in den botanischen Garten, der blöderweise ein gigantischer Park ist.. und ich habe die Tragehilfe für Luna nicht eingepackt. Nachdem wir uns eine Stunde lang einen, zugegeben viel flacheren, Hang hochgekämpft haben, bzw. ich Luna in jeder möglichen und unmöglichen Position getragen habe, lege ich mich erschöpft Mitten auf den Steinweg. Luna spielt zufrieden mit ihrem neuen Seifenblasenspielzeug und ich frage mich, ob man sich die Ruhe so sehr verdienen muss oder, ob ich einfach unfähig bin, die Ruhe anzunehmen, ohne mein Leben schwerer zu machen, als es sein müsste.

Der alternative Weg zum botanischen Garten (nach dem Hang)
Botanischer Garten

Nachdem auch Luna auf einer Bank ihren Mittagsschlaf gemacht hat, kehren wir um. Wir errreichen tatsächlich mit einem kleinen Schwenker noch eines der vielen Gewächshäuser und gehen dann zum Fahrrad zurück. Die Frau am Marktstand fragt Luna, ob sie noch mehr einkaufen möchte. Ich sage dankend nein und schiebe das Fahrrad über den Parkplatz und sehe die breite, offzielle Strasse zum botanischen Garten, die tatsächlich schön beschildert ist. Zurück bei der Unterkunft PonDaNu gehe ich mit Luna an den See und setze mich hin. Ruhe. Sie war die ganze Zeit schon da.

Lake Beratan
Seezugang, PonDaNu cabins by the lake

Nach dem Abendessen habe ich zum ersten Mal in Indonesien ein wenig kalt. Und nachdem Luna das automatische Dach 27 mal auf und zu fahren liess, liege ich nun neben ihr im Bett eingekuschelt und schaue durch das Fenster an der Decke hinauf zu den Sternen. Noch mehr Ruhe.

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