Uluwatu: Auf der Suche nach einem Sonnenuntergang

Ich atme tief durch. Endlich wieder Stille. Ich halte Luna’s Hand und wir sitzen einfach nur erledigt auf dem gelben Sofa im Spielhaus.

Der Morgen war hektisch. Der Gojek-Fahrer war schneller da, als zuerst auf der App angezeigt. Ich stopfe die letzten paar Sachen in den Rucksack, werfe ihn mir über die eine Schulter und hebe mit dem anderen Arm Luna auf die Hüfte. Ich laufe schnell (aber vorsichtig!) von der Wohnung durch den Garten zum Parkplatz, während Luna halb lachend, halb ernst sagt: „Heute fallen wir aber nicht um, gell.“

Heute freue ich mich auf einen Brunch im „Chela“. Das ist ein hippes Restaurant, welches ich auf Instagram schon lange gespeichert habe. Aber was habe ich eigentlich erwartet? Jede digitale Nomadin und jeder digitale Nomade auf ganz Bali mit einem Instagram-Business isst und filmt gerade hier. Die Kundschaft ist jung, sportlich und extrovertiert. Die Frauen sind meistens im Yoga-Sport-BH, die Hälfte der Männer trägt oben gar nichts. Sie unterhalten sich laut über das „Life in Paradise“, die Arbeit, die letzten Tinder-Dates und Parties und andere filmen ihre Reels. Luna trinkt etwas eingeschüchtert ihr Babycino und ich probiere meine hübsche Smoothie Bowl. Sie ist lecker, aber ich fühle mich nicht wohl in dem Restaurant. Luna kann sich nicht richtig bewegen, wir sitzen Mitten im Trubel und ich bin froh, als wir die Rechnung bezahlen und gehen.

Draussen laufe ich direkt in eine Gruppe von Markständen, ich schaue mir ein paar Minuten eine Kette an und schwub trägt Luna einen „Labubu“-Hut, eine Sonnenbrille mit Ohren und zwei Perlenketten und die Marktleute wollen ihr gerade noch einen kitschigen Schlüsselanhänger reichen, doch sie sieht jetzt schon aus wie ein geschmückter Weihnachtsbaum. Ich sage ruhig aber bestimmt: „Stopp!“ und setzte dem ganzen ein Ende.

5 Minuten später laufe ich mit meiner neuen Halskette und meinem kleinen Weihnachtsbaum auf dem Rücken und einer Million IDR weniger im Sack weiter durch die Strasse. Ich weiss nicht, ob ich lachen oder weinen soll.

Als wir im Spielhaus ankommen will Luna auf’s WC. Sie freut sich riesig, dass sie ganz kleine Kindertoiletten mit einem Wasserschlauch haben. Nachdem sie ihre Anti-Rutschsocken, die ich gerade für 30´000 IDR am Eingang kaufen musste, mit dem Schlauch getränkt hat, bemerke ich, dass ich keine neue Windel dabei habe. Ich ziehe Luna einfach die Hose drüber und laufe etwas nervös mit der kleinen Zeitbombe im Arm durch das Spielhaus. Die ersten drei Personen, die ich um Hilfe frage, wissen nicht, was „Nappies“ sind. Ich halte die Hand an meine Schläfe und denke an den vollen Sack Windeln, den ich gestern erst gekauft habe. Warum habe ich keine eingepackt? Ich habe Glück und die Ladenbesitzerin sieht mich und sagt zu ihrer Mitarbeiterin: „Of course we have nappies. This should be the her size, right?“ und reicht mir eine mit „Aloe-Vera“ und „vegan“ beschriftete Windel. So etwas habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Ich nehme sie dankend an.

Und als ich mich gerade noch tiefer in das gelbe Sofa sinken lasse, ertönt plötzlich ganz laut „Gummy, gummy, gummy, gummy bear“ und dann wechselt die Musik zu einer Roboterstimme, die laut schallt: „DANGER DANGER DANGER! The floor is lava! DANGER DANGER DANGER! The floor is lava!“ und sieben indonesische Versionen von Miss Rachel in Pastell-Tshirts kommen gefühlt aus allen Ecken des Spielhauses und tanzen. Als die sieben Frauen mit drei halbmotivierten Kindern eine Polonaise zum Lied „Baby shark“ machen, dissoziiere ich entgültig aus meinem Körper.

Prili trifft eine Stunde später ein und spielt mit Luna in der Kinderküche, während ich Versuche alle meine angefangenen Einträge zu überarbeiten.

Dieser hier war fertig, doch dann wurde der Tag doch noch verrückter. Ich war fertig mit Schreiben, relativ entspannt von der kleinen Auszeit und parat endlich einen Sonnenuntergang am Meer zu sehen. Darum bin ich hier. Endlich auf der richtigen Seite der Insel, um die Sonne im Meer versinken zu sehen. Ich wünsche mir einen Sonnenuntergang.. so schön, dass ich weine. Zweimal hat es nicht geklappt, weil Luna genau dann mega dringend auf‘s WC musste. Dieses Mal ist Luna im Prinzessinnenkostüm im 2. Stock vom Spielhaus auf mir eingeschlafen, als ich sie paratmachen wollte. Sehnsüchtig schaue ich zum oberen Dachfenster und sehe, wie sich der Himmel immer roter färbt. Vielleicht morgen…

Und dann passierte das Schlimmste, was Luna sich vorstellen kann. Ihre Puppe ist spurlos verschwunden. Schlussendlich suchen Prili, ich, Luna und drei der Mitarbeitenden nach dem Bébé. (Funfact hier am Rande: Bebe bezeichnet in Indonesien den weiblichen Genitalbereich). Meine loyale Nanny spielt schon mit dem Gedanken eine andere Puppe aus dem Spielhaus zu „dollnappen“.

Während ich mit zwei Frauen wie ein kleiner Suchtrupp nebeneinander durch das riesige Bällebad watte und Luna neben dran frustriert die Arme um sich schlingt, ertönt plötzlich ein lautes „Aaaah!“. Ein junger Mitarbeiter, der im Kletterhaus durch alle Röhren bis ganz nach oben gekrabbelt ist, hat das Bébé gefunden. Mir fällt ein Stein vom Herzen.

Und dann fängt noch mein einwöchiges Tempelverbot an und ich bin einfach nur erledigt von diesem Tag.

Nun sitze ich im „Alchemy“, ebenfalls einem von Instagram bekannten Ort. Der Vibe ist aber ruhiger und Luna hat Platz zum Spielen im kleinen Garten. Ist der Alltag verrückter hier? Vielleicht ein bischen. Aber es lohnt sich.

Bébé und Kalla im Chela

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